Eine vorzeitige Ovarialinsuffizienz (primature ovarial failure, POF), die sich in Form der Menopause vor dem 40. Lebensjahr manifestiert, betrifft etwa 1-2% der weiblichen Bevölkerung und führt zur Unfruchtbarkeit und einem Mangel an Geschlechtshormonen. Für die Diagnose sind in der Regel wiederholt erhöhte FSH-Werte (> 40 IE/l) klinisch bedeutsam, ebenso wie ein Anti-Müller-Hormon-Wert < 1 ng/ml, der auf eine deutlich verminderte Follikel- bzw. Eizellzahl hinweist. Die Ursachen für POF sind vielfältig und setzen sich aus verschiedenen Faktoren zusammen. Etwa 20-25% sind genetisch bedingt, 10-15% werden durch Autoimmunreaktionen ausgelöst, während 30-40% auf therapeutische Maßnahmen wie Ovarchirurgie, Chemo- oder Strahlentherapie zurückzuführen sind. In etwa 40-60% der Fälle bleibt die Ursache unklar.
Verschiedene Gene, insbesondere auf dem X-Chromosom, spielen eine entscheidende Rolle bei der ovariellen Funktion. Frauen mit dem Turner-Syndrom (45,X0) oder Deletionen in verschiedenen Bereichen des X-Chromosoms erleiden primäre oder sekundäre Amenorrhoe, was zu POF führen kann. Eine Prämutation im FMR1-Gen (fragiles X-Mentale Retardierung 1) führt bei etwa 20% der Trägerinnen zu POF, vorausgesetzt, es liegt eine väterlich vererbte Prämutation vor. Frauen, die eine Prämutation von ihrer Mutter erben, haben kein erhöhtes POF-Risiko. Vollmutationen im FMR1-Gen sind nicht mit einem erhöhten POF-Risiko verbunden. Abgesehen von X-chromosomalen Aberrationen und Prämutationen im fragilen X-Gen können auch homozygote oder compoundheterozygote Mutationen im FFHR-Gen (Follikel-Stimulierendes-Hormon-Rezeptor) außerhalb der finnischen Bevölkerung sehr selten zu POF führen. Kürzlich wurde auch eine heterozygote Mutation im autosomal kodierten GDF9-Gen und seinem X-chromosomalen Paralog BMP15 als mögliche Ursache für POF identifiziert.